Verwirkung von Unterhalt – das sind die Gründe
Die Gewährung von Unterhalt gehört zu den Hauptpflichten, die familiäre Bindungen mit sich bringen. So können zum Beispiel Ehegatten untereinander oder Eltern für ihre Kinder unterhaltspflichtig sein. Die Unterhaltspflicht bleibt auch nach einer Trennung oder Scheidung bestehen. Der Anspruch auf Unterhalt kann allerdings unter bestimmten Umständen auch verwirkt werden. Eine Verwirkung hat zur Folge, dass der Anspruch beschränkt wird oder ganz entfällt.
Wodurch verwirkt der Anspruch auf den Ehegattenunterhalt?
Es gibt verschiedenen Gründe, aus denen der Trennungsunterhalt bzw. der nacheheliche Unterhalt eines Ehegatten verwirkt werden kann. § 1579 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) führt hier insgesamt acht Sachverhalte auf.
In jedem Fall entscheidet das zuständige Familiengericht, ob die vorliegenden Gründe schwerwiegend genug sind, dass der Unterhaltsanspruch beschränkt oder ganz versagt werden kann. Die Beweislast liegt beim unterhaltspflichtigen Partner.
1. Kurze Dauer der Ehe
Bei einer kurzen Ehedauer kann der Anspruch auf Ehegattenunterhalt entfallen.
Es hängt von den Umständen des einzelnen Falles ab, ob ein Gericht eine Ehe als kurz einstuft. Weitgehende Einigkeit herrscht darüber, dass eine Ehe, die länger als drei Jahre besteht, nicht mehr als kurz zu betrachten ist. Ansonsten ist für die Entscheidung des Gerichts von Belang, ob die Ehepartner in ihrer Lebensführung schon stark verwoben und mit Blick auf gemeinsame Lebenspläne wirtschaftlich voneinander abhängig geworden sind.
2. Verfestigte neue Lebensgemeinschaft
Lebt der Unterhaltsberechtigte in einer festen neuen Lebensgemeinschaft, kann die neue Bindung zur Verwirkung des Ehegattenunterhalts führen. Dabei ist es unerheblich, ob der neue Lebenspartner für den Unterhalt des Unterhaltsberechtigten aufkommen kann.
Ob eine Lebensgemeinschaft als verfestigt betrachtet werden kann, liegt im Ermessen des jeweils zuständigen Gerichts. In der Regel geht das Gericht von einer verfestigten Lebensgemeinschaft aus, wenn einer der folgenden Sachverhalte vorliegt:
- Die Partner leben in einem eheähnlichen Verhältnis und das seit allermindestens einem Jahr, eher seit zwei bis drei Jahren.
- Die Partner haben sich verlobt.
- Aus der Partnerschaft ist ein gemeinsames Kind hervorgegangen.
- Die Partner haben ein gemeinsames Wohneigentum erworben.
3. Straftaten gegen den Unterhaltspflichtigen oder gegen einen nahen Angehörigen des Unterhaltspflichtigen
Wenn der Unterhaltsberechtigte eine Straftat gegenüber dem Unterhaltspflichtigen oder einem nahen Angehörigen von diesem begeht, kann dies zur Folge haben, dass der Unterhaltsanspruch ganz oder in Teilen aberkannt wird.
In Betracht kommen zum Beispiel Straftaten wie Körperverletzung, sexuelle Gewalt, Androhung von Gewalt, Beleidigungen oder Verleumdungen. Auch unwahre Angaben über eigene Einkünfte zählen als schwere vorsätzliche Vergehen.
4. Mutwillig herbeigeführte Bedürftigkeit
Hat der Ex-Partner mutwillig oder leichtfertig die eigene Bedürftigkeit herbeigeführt, kann die Unterhaltspflicht ihm gegenüber entfallen oder eingeschränkt werden.
Beispiele für eine mutwillig herbeigeführte Bedürftigkeit sind:
- Aufgabe des Arbeitsplatzes ohne berechtigte Gründe
- unterlassene Ausbildung
- Verschwendung von Vermögen
- Abbruch oder Ablehnung von Therapien, durch die die Erwerbsfähigkeit wiederhergestellt werden könnte
5. Verletzung von Vermögensinteressen
Ein möglicher Grund für die Verwirkung des Unterhaltsanspruchs liegt vor, wenn der Unterhaltsberechtigte durch sein Verhalten die Einkommens- oder Vermögenssituation des Unterhaltspflichtigen mutwillig gefährdet oder mindert.
Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn:
- der Unterhaltsberechtigte den Unterhaltspflichtigen bei dessen Arbeitgeber in Misskredit bringt.
- diese Unterhaltsberechtigte, die Geschäftsbeziehungen eines selbstständigen Unterhaltspflichtigen schädigt.
- der Unterhaltsberechtigte gegen den Unterhaltspflichtigen mit einer absichtlich unwahren Beschuldigung eine Strafanzeige erstattet.
6. Unterhaltspflichtverletzung
Mit der Eheschließung sind beide Ehepartner die Verpflichtung eingegangen, zum Familienunterhalt beizutragen. Hat der Unterhaltsberechtigte während der Ehe über längere Zeit diese Pflicht gröblich verletzt, kann deswegen der Unterhaltsanspruch nach der Trennung verwirkt werden.
Dabei gilt als längere Zeit ein Zeitraum von mehr als einem Jahr.
Als Beitrag zum Familienunterhalt zählt auch die Familienarbeit – zum Beispiel Haushaltsführung, Kinderbetreuung oder Pflege von Angehörigen.
7. Schwerwiegendes Fehlverhalten gegenüber dem Unterhaltspflichtigen
Als schwerwiegendes Fehlverhalten wird am häufigsten der Ehebruch angeführt. Allerdings werten die Gerichte nicht jeden Ausbruch aus der Ehe als Grund für die Verwirkung des Unterhaltsanspruchs. Um als Verwirkungsgrund anerkannt zu werden, muss der Ausbruch der Grund für das Scheitern einer Ehe sein, die vor dem Seitensprung noch nicht als gescheitert zu betrachten war.
Als schwerwiegendes Fehlverhalten können außerdem eingestuft werden
- sexuelle Kontakte mit häufig wechselnden Partnern
- gewerbsmäßiges Betreiben von Telefonsex ohne Wissen des Ehepartners
- Prostitution
- Unterschieben eines Kindes
- Vorenthalten eines gemeinsamen Kindes
8. Generalklausel
§ 1579 des Bürgerlichen Gesetzbuches fügt den Gründen für eine Verwirkung des Ehegattenunterhalts in Absatz 8 noch eine Generalklausel hinzu: Falls eine andere Verfehlung vorliegt, die ähnlich schwer wiegt wie die bisher aufgeführten Verfehlungen, kann im Einzelfall ebenfalls der Unterhaltsanspruch verwirkt werden.
Wann verwirkt der Anspruch auf den Kindesunterhalt?
Auch der Unterhaltsanspruch eines Kindes gegenüber einem Elternteil kann unter Umständen verwirkt werden – allerdings erst, wenn das Kind volljährig ist.
Unter welchen Voraussetzungen der Unterhalt für ein Kind entfallen oder beschränkt werden kann, regelt § 1611 des Bürgerlichen Gesetzbuches. Das Gesetz nennt drei unbillige Verhaltensweisen des unterhaltsberechtigten, volljährigen Kindes, bei denen eine Verwirkung des Unterhaltsanspruchs in Betracht kommen kann:
- selbstverschuldete Bedürftigkeit des Kindes
- gröbliche Vernachlässigung der eigenen Unterhaltspflicht gegenüber dem Unterhaltspflichtigen
- schwere Verfehlung gegenüber dem Unterhaltspflichtigen oder gegen einen nahen Angehörigen des Unterhaltspflichtigen
Über die Verwirkung entscheidet das Gericht. Folgende Verwirkungsgründe wurden in der Vergangenheit von der Rechtsprechung anerkannt:
- ziellose Fortführung des Studiums
- Arbeit ohne soziale Absicherung
- Verschweigen der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit neben dem Studium
- Verschweigen des Abbruches der Schulausbildung
- bewusste falsche Strafanzeige gegen den Unterhaltspflichtigen
- Verschweigen eigenen Einkommens
- wiederholte, schwerwiegende Beleidigungen des Unterhaltspflichtigen
Die Verwirkung der Kindesunterhaltspflicht ist nach allgemeiner Auffassung in der Rechtsprechung auf besonders schwere Ausnahmefälle zu beschränken.